Sie sind länger krankgeschrieben? Sechs Wochen oder mehr fehlen bereits im letzten Jahr? Das kann belastend sein – für Sie und Ihren Arbeitgeber. Genau hier setzt das Betriebliche Eingliederungsmanagement, kurz BEM, an. Es ist ein wichtiges Instrument, um gemeinsam Lösungen zu finden.
In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige über das BEM. Wir klären, was es genau ist, wie es abläuft und welche Rechte und Pflichten Sie haben.
- BEM ist ein Angebot für Beschäftigte, die innerhalb von 12 Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren.
- Ziel ist es, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Krankheit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu sichern.
- Die Teilnahme am BEM ist für Arbeitnehmer freiwillig.
- Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ein BEM anzubieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX).
- Im BEM-Prozess arbeiten verschiedene Akteure zusammen, um individuelle Lösungen zu finden.
Was genau ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement?
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein strukturierter Prozess. Er soll Beschäftigten helfen, nach längerer Krankheit wieder gut im Berufsleben Fuß zu fassen. Es geht darum, gemeinsam Wege zu finden, wie Sie Ihre Arbeit wieder aufnehmen können.
Dabei steht Ihre Gesundheit im Mittelpunkt. Es wird geprüft, ob Anpassungen am Arbeitsplatz oder bei den Tätigkeiten notwendig sind. Auch präventive Maßnahmen spielen eine große Rolle.
Das Ziel ist klar definiert. Ihre Arbeitsunfähigkeit soll überwunden werden. Einer erneuten Arbeitsunfähigkeit soll vorgebeugt werden. Ihr Arbeitsplatz soll langfristig erhalten bleiben.
Gesetzlich verankert ist das BEM im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Arbeitgeber müssen es aktiv anbieten, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Wer ist am BEM-Prozess beteiligt?
Ein erfolgreiches BEM lebt von der Zusammenarbeit verschiedener Akteure. Wer genau beteiligt ist, hängt vom Einzelfall ab. Ihre Zustimmung ist dabei immer entscheidend.
Die zentralen Personen sind Sie als betroffener Arbeitnehmer und Ihr Arbeitgeber. Der Arbeitgeber initiiert das Verfahren und trägt die Verantwortung für die Organisation.
Weitere wichtige Partner können hinzukommen. Oft ist der Betriebsrat oder Personalrat beteiligt. Auch die Schwerbehindertenvertretung kann eine Rolle spielen, wenn Sie schwerbehindert oder gleichgestellt sind.
Medizinisches Fachwissen bringt der Betriebsarzt ein. Externe Stellen wie Rehabilitationsträger (z.B. Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft) oder das Integrationsamt können ebenfalls unterstützen. Sie bringen Expertise und Fördermöglichkeiten ein.
Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) regelt die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Das BEM ist ein zentraler Baustein zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben.
Hier eine Übersicht der möglichen Beteiligten und ihrer typischen Rollen:
Beteiligte(r) | Mögliche Rolle im BEM-Prozess |
---|---|
Arbeitnehmer/-in (Sie) | Betroffene Person, aktive Teilnahme (freiwillig), Mitwirkung bei Lösungsfindung |
Arbeitgeber | Initiator, Organisation, Gesprächsführung, Umsetzung von Maßnahmen, Dokumentation |
Betriebsrat/Personalrat | Überwachung der Einhaltung von Rechten, Beratung des Arbeitnehmers, Teilnahme mit Zustimmung |
Schwerbehindertenvertretung | Vertretung der Interessen schwerbehinderter/gleichgestellter Beschäftigter, Beratung |
Betriebsarzt/Werksarzt | Medizinische Beratung, Beurteilung von Arbeitsbedingungen, Vorschläge für Anpassungen |
Rehabilitationsträger | Beratung zu Leistungen zur Teilhabe (z.B. Reha, Hilfsmittel), Finanzierung von Maßnahmen |
Integrationsamt | Unterstützung bei schwerbehinderten Menschen, Beratung, finanzielle Leistungen |
Fachkraft für Arbeitssicherheit | Beratung zu sicherheitstechnischen Aspekten und Arbeitsplatzgestaltung |
Wann muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten?
Die Pflicht des Arbeitgebers zum Angebot eines BEM entsteht unter einer klaren Voraussetzung. Sie müssen innerhalb der letzten 12 Monate länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sein. Das entspricht 42 Kalendertagen.
Dabei ist es egal, ob die Arbeitsunfähigkeit am Stück bestand. Auch mehrere kürzere Erkrankungen, die sich auf über sechs Wochen summieren, lösen die Pflicht aus. Der Arbeitgeber muss die Fehlzeiten im Blick behalten.
Erfüllen Sie diese Bedingung, muss Ihr Arbeitgeber aktiv auf Sie zukommen. Er muss Ihnen das BEM schriftlich oder mündlich anbieten. Dieses Angebot muss bestimmte Informationen enthalten.
Wichtig zu wissen: Der Grund für Ihre Arbeitsunfähigkeit spielt keine Rolle. Ob es sich um eine körperliche Erkrankung, eine psychische Belastung oder die Folgen eines Unfalls handelt, ist für das Angebot unerheblich.
Wie läuft ein BEM-Verfahren typischerweise ab?
Der Ablauf eines BEM ist nicht starr festgelegt, folgt aber meist einem strukturierten Muster. Es beginnt immer mit dem Angebot des Arbeitgebers.
Stimmen Sie dem BEM zu, folgen weitere Schritte:
- Einladung zum Erstgespräch: Sie erhalten eine formelle Einladung. Diese muss Hinweise auf Ziele, Freiwilligkeit und Datenschutz enthalten. Sie können auch angeben, wen Sie zum Gespräch mitbringen möchten (z.B. Betriebsrat).
- Das BEM-Gespräch (Erstgespräch): Hier sitzen die vereinbarten Teilnehmer zusammen. Es geht darum, die Situation zu analysieren. Was sind die gesundheitlichen Einschränkungen? Gibt es einen Zusammenhang zur Arbeit? Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
- Ursachenforschung und Bedarfsermittlung: Gemeinsam wird überlegt, welche Faktoren zur Arbeitsunfähigkeit beigetragen haben. Welche Maßnahmen könnten helfen? Das können Anpassungen am Arbeitsplatz sein, veränderte Aufgaben oder Arbeitszeiten. Auch externe Hilfen werden besprochen.
- Maßnahmenplanung: Konkrete Maßnahmen werden vereinbart. Wer ist wofür verantwortlich? Bis wann soll etwas umgesetzt werden? Alles wird dokumentiert. Beispiele sind technische Hilfsmittel, Qualifizierungen oder eine stufenweise Wiedereingliederung.
- Durchführung der Maßnahmen: Die vereinbarten Schritte werden umgesetzt. Dies erfordert oft die Koordination verschiedener Stellen.
- Bewertung und Abschluss: Nach einer vereinbarten Zeit wird geprüft, ob die Maßnahmen erfolgreich waren. Konnten die Ziele erreicht werden? Ist das BEM damit abgeschlossen oder sind weitere Schritte nötig? Auch dieser Schritt wird dokumentiert.
Dieser Prozess ist vertraulich. Alle Beteiligten sind zum Datenschutz verpflichtet.
Die stufenweise Wiedereingliederung (oft „Hamburger Modell“ genannt) ist eine häufige Maßnahme im BEM. Sie ermöglicht es, die Arbeitszeit nach langer Krankheit schrittweise zu steigern.
Ihre Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer im BEM
Das Wichtigste zuerst: Ihre Teilnahme am BEM ist freiwillig. Niemand kann Sie dazu zwingen. Sie entscheiden, ob Sie das Angebot annehmen.
Sie haben das Recht, jederzeit eine Vertrauensperson hinzuzuziehen. Das kann ein Mitglied des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung oder auch eine externe Person sein. Ihr Arbeitgeber muss Sie auf dieses Recht hinweisen.
Datenschutz ist Ihr gutes Recht. Gesundheitsdaten sind besonders sensibel. Sie entscheiden, welche Informationen Sie preisgeben. Die Daten aus dem BEM müssen getrennt von der Personalakte aufbewahrt werden.
Eine Pflicht zur Teilnahme gibt es nicht. Lehnen Sie das BEM ab, darf Ihnen daraus kein direkter Nachteil entstehen. Allerdings: Wenn Sie später eine krankheitsbedingte Kündigung erhalten, kann Ihre Ablehnung im Kündigungsschutzprozess berücksichtigt werden. Es könnte argumentiert werden, dass Sie nicht an der Lösungsfindung mitwirken wollten.
Wenn Sie teilnehmen, wird eine gewisse Mitwirkung erwartet. Nur durch Ihre Informationen können passende Lösungen gefunden werden. Eine aktive Beteiligung liegt also in Ihrem Interesse.
Die Pflichten des Arbeitgebers im BEM-Prozess
Der Arbeitgeber hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, BEM anzubieten. Diese Pflicht ergibt sich aus § 167 Abs. 2 SGB IX. Er muss aktiv werden, wenn die Sechs-Wochen-Frist überschritten ist.
Das Angebot muss korrekt formuliert sein. Es muss über die Ziele des BEM aufklären. Die Freiwilligkeit der Teilnahme muss betont werden. Auch Hinweise zum Datenschutz und zur Datenverarbeitung sind zwingend.
Der Arbeitgeber muss den Prozess organisieren und strukturieren. Er muss die Gespräche führen oder dafür sorgen, dass sie geführt werden. Dabei muss er die Vertraulichkeit wahren.
Er ist verpflichtet, ernsthaft nach Lösungen zu suchen. Er muss prüfen, welche zumutbaren Maßnahmen zur Wiedereingliederung möglich sind. Das können Anpassungen des Arbeitsplatzes oder der Tätigkeit sein.
Die gesamte Durchführung des BEM muss sorgfältig dokumentiert werden. Das betrifft das Angebot, die Gespräche, die vereinbarten Maßnahmen und die Ergebnisse. Diese Dokumentation ist auch wichtig, falls es später zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt.
Vorteile des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
Ein gut durchgeführtes BEM bringt Vorteile für beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es ist mehr als nur eine gesetzliche Pflicht. Es ist eine Chance.
Für Sie als Arbeitnehmer liegen die Vorteile auf der Hand:
- Gesundheitliche Unterstützung: Sie erhalten Hilfe bei der Bewältigung gesundheitlicher Probleme im Arbeitskontext.
- Arbeitsplatzerhalt: Das BEM zielt direkt darauf ab, Ihren Arbeitsplatz zu sichern.
- Individuelle Lösungen: Maßnahmen werden auf Ihre spezifische Situation zugeschnitten.
- Prävention: Es hilft, erneuten Erkrankungen vorzubeugen.
- Wertschätzung: Ein proaktives BEM-Angebot signalisiert Fürsorge des Arbeitgebers.
Aber auch der Arbeitgeber profitiert:
- Reduzierung von Fehlzeiten: Erfolgreiche Wiedereingliederung senkt die Kosten durch Krankheit.
- Erhalt von Fachkräften: Wertvolles Know-how bleibt dem Unternehmen erhalten.
- Rechtssicherheit: Die Erfüllung der BEM-Pflicht stärkt die Position bei eventuellen Kündigungsschutzklagen.
- Verbessertes Betriebsklima: Ein funktionierendes Gesundheitsmanagement fördert die Mitarbeiterzufriedenheit.
- Imagegewinn: Soziales Engagement wird positiv wahrgenommen.
Das BEM ist also ein Instrument des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Es fördert eine Kultur der Prävention und Unterstützung.
Datenschutz im BEM: Ein sensibles Thema
Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten persönlichen Informationen. Der Datenschutz hat im BEM daher höchste Priorität. Es gelten die strengen Regeln der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).
Ihr Arbeitgeber muss Sie umfassend darüber informieren, welche Daten erhoben und verarbeitet werden. Er benötigt Ihre ausdrückliche, schriftliche Einwilligung zur Datenerhebung und -verarbeitung im Rahmen des BEM.
Sie haben jederzeit das Recht, Ihre Einwilligung zu widerrufen. Sie bestimmen, wer welche Informationen erhält. Der Betriebsarzt unterliegt zudem der ärztlichen Schweigepflicht.
Die BEM-Akte muss getrennt von Ihrer normalen Personalakte aufbewahrt werden. Der Zugriff darauf muss streng beschränkt sein. Nur die Personen, die direkt am BEM-Prozess beteiligt sind und Ihre Zustimmung haben, dürfen Einsicht nehmen.
Nach Abschluss des BEM müssen die Daten gelöscht werden, sobald sie nicht mehr benötigt werden. Es gelten spezifische Aufbewahrungsfristen, die jedoch so kurz wie möglich zu halten sind.
Fazit
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein wertvolles Werkzeug für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es bietet einen strukturierten Rahmen, um nach langer Krankheit den Weg zurück in den Beruf zu finden.
Die Freiwilligkeit für Beschäftigte und der strenge Datenschutz sind zentrale Pfeiler. Ziel ist es, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, den Arbeitsplatz zu sichern und künftigen Erkrankungen vorzubeugen.
Ein gut umgesetztes BEM fördert die Gesundheit, sichert Fachkräfte und verbessert das Betriebsklima – eine Win-Win-Situation, wenn es richtig angegangen wird.
FAQ – Häufig gestellte Fragen zum BEM
Ist die Teilnahme am BEM für mich verpflichtend?
Nein, die Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement ist für Arbeitnehmer absolut freiwillig. Ihr Arbeitgeber ist zwar verpflichtet, es Ihnen anzubieten, wenn Sie länger als sechs Wochen krank waren. Sie entscheiden aber selbst, ob Sie dieses Angebot annehmen oder ablehnen möchten. Eine Ablehnung darf Ihnen nicht direkt zum Nachteil gereichen.
Was passiert, wenn ich das BEM ablehne?
Wenn Sie das BEM ablehnen, wird das Verfahren nicht eingeleitet oder beendet. Direkte arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder Kündigung allein wegen der Ablehnung sind unzulässig. Sollte es jedoch später zu einer krankheitsbedingten Kündigung kommen, prüft das Arbeitsgericht, ob der Arbeitgeber das BEM korrekt angeboten hat. Ihre Ablehnung könnte dann als Argument gewertet werden, dass der Arbeitgeber keine andere Möglichkeit mehr sah.
Kann mir gekündigt werden, wenn das BEM scheitert?
Das Scheitern eines BEM allein ist kein Kündigungsgrund. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass eine negative Gesundheitsprognose besteht, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen vorliegen und keine milderen Mittel (wie z.B. eine erfolgreiche Maßnahme aus dem BEM) zur Verfügung standen. Ein korrekt durchgeführtes, aber erfolgloses BEM kann allerdings die Position des Arbeitgebers in einem Kündigungsschutzverfahren stärken.
Wer erfährt von meinen Gesundheitsdaten im BEM?
Der Schutz Ihrer Gesundheitsdaten ist im BEM essenziell. Grundsätzlich erfahren nur die Personen von Details, denen Sie ausdrücklich zustimmen. Ihr Arbeitgeber selbst erhält keine Diagnosen, es sei denn, Sie stimmen dem zu. Der Betriebsarzt unterliegt der Schweigepflicht. Informationen werden nur weitergegeben, wenn es für die Lösungsfindung (z.B. Arbeitsplatzanpassung) notwendig ist und Sie eingewilligt haben. Die BEM-Dokumentation erfolgt getrennt von der Personalakte.